Der Thorsbone Trail
5 Tage Trekking auf Hinchinbrook Island in Queensland/Australien
Tag 1
CARDWELL – HINCHENBROOK ISLAND
(29.Mai 1997)
Die nächsten fünf Tage werden im Zeichen des Thorsborne Trails stehen. 32 Kilometer entlang der Ostküste von Hinchinbrook Island vor der Ostküste von Queensland, durch eine rauhe, einsame und menschenleere Landschaft. Die Insel ist mit 400 km² doppelt so groß wie der Kakadu Nationalpark, und ist Australiens größter Inselnationalpark. Es gibt selbst Mitte der 1990er Jahre auf der Insel noch viele Orte, an denen bis dato noch kein Mensch gewesen ist. Geographisch gesehen liegt die Insel gut geschützt im Great Barrier Reef Marine Park und steht damit seit 1932 komplett unter Naturschutz. In früheren Zeiten wurde die Insel ausschließlich von Aborigines bewohnt. Heute sind jedoch die einzigen Bewohner der Insel die Gäste eines 450 AUD-$ pro Nacht teuren Resorts am Cape Richards, sowie maximal 40 Wanderer, die sich gleichzeitig auf der Insel aufhalten dürfen.
Die Insel ist berühmt für ihre Abgeschiedenheit und für ihre traumhafte Natur. Die diversesten und Lebewesenreichsten Mangrovenwälder Australiens befinden sich hier. Die Insel bietet ein ausgesprochen abwechs-lungsreiches Lanschaftsbild: Wilde Berglandschaften, Süßwasserlagunen, Flüsse, Tropischer Regenwald und unzählbare, endlos lange, weiße Sandstrände machen die Faszination dieses Paradises aus. Fast die ganze Insel ist mit dichtem, beinahe undurchdringlichem Dschungel bewachsen. Für viele Wanderer ist sie zur Insel ohne Rückkehr geworden, da sie sich zu tief in die unbekannten und abgelegenen Regionen vorgewagt haben.
Die Wanderung werde ich zusammen mich mit Joanne, einer 23jährigen Politikstudentin aus England machen. Zwei Gründe sprechen dafür: Sehr nette Gesellschaft und Sicherheit. Die Ranger des Parks sind zwar über unseren Aufenthalt auf der Insel informiert, würden aber erst 24 Stunden nach dem von uns angegebenen Rückkehrzeitpunkt beginnen nach uns suchen. Bei einem auf fünf Tage angelegten Trek könnte das schon mal problematisch werden. Vom Anfangs- bis zum Endpunkt des Treks ist man komplett von der Zivilisation abgeschnitten. Zelt und Verpflegung befinden sich im Rucksack, das Wasser schöpfen wir aus den zahlreichen Süßwasserquellen der Insel, ansonsten sind wir auf uns selbst gestellt. Eine einfache Karte und grobe Makierungen entlang des Treks sollen uns den Weg weisen. Wie sich aber später herausstellt, erweist sich beides als äußerst ungenau und relativ unbrauchbar.
Wir beginnen unseren ersten Tag mit strahlendem Sonnenschein und damit, daß ich die Camping-Erlaubnis für den Nationalpark, für sage und schreibe 3 AUD-$ pro Nacht bei den Rangern in Cardwell abhole. Der Ranger weist uns noch einmal auf die etwaigen Schwierigkeiten entlang der Route hin und makiert uns den Weg auf unserer Karte. Als neuste Errungenschaft sind in den Hauptcamps auf der Insel von den Rangern Rattensichere Vorratskisten aufgestellt worden. Das bringt eine scheinbare Erleichterung für die Wanderer mit sich, denn so hoffen wir, müssen wir uns nicht mehr auf den klassischen Angelschnur-Plastikflaschen-Trick verlassen. Doch wie so üblich in Theorie und Paxis werden die Ratten uns eines besseren belehren.
Zur Bekämpfung von nervigem Getier auf Hinchinbrook Island
Der Trick die Ratten von seinen Vorräten fernzuhalten besteht darin, die Lebensmittel an eine in etwa zwei Metern Höhe zwischen zwei Bäumen gespannte Nylonschnur zu hängen. Da die Ratten aber die Fähigkeit besitzen über diese Leine balancieren zu können, muß man an beiden Seiten der Leine eine Plastikflasche aufziehen und mit einem Stopper festsetzen. So bietet sich den Ratten lediglich die Möglichkeit sich entlang der Leine zu hangeln. Die beiden Plastikflaschen stellen jedoch selbst für die akrobatischste Ratte ein unüberwindbares Hindernis dar. Es soll schon Fälle gegeben haben, bei denen todesmutige Abkömmlinge dieser Art in die Baumkronen geklettert sind, um dann mit einem wagemutigem Sprung auf den Essensbehälter zu springen. Die Ranger versuchen immer wieder verzweifelt, die Ratten von diesen Kunststücken abzubringen, und ihnen beizubringen, daß diese Art von Nahrung nicht für sie geeignet ist. Mit ihren Nagezähnen fressen die Ratten sich aber durch alles durch, egal ob Plastik oder Alu. Dieses erklärt warum alle Nahrungsmittel sowie Sonnencreme, Deos und Shampoo bei Nacht aus Zelt und Rucksack entfernen werden müssen. Ihr Geruch zieht die Plagegeister schaarenweise an, und in ihrer Skrupelosigkeit nehmen sie keine Rücksicht auf etwaige Barrieren. Kein Zelt, kein Rucksack hält sie zurück! Sie fressen sich gnadenlos durch alles durch, ohne Rücksicht auf Verluste. So etwas kann ein teurer Spaß oder zu einem unangenehmen nächtlichen Erlebnis werden. Alles nur eine Mythos? Nein! Aus eigener leidvoller Erfahrung kann ich nur sagen: Es gibt sie wirklich, die sagenumwobenen Hinchinbrook-Ratten.
Für uns beginnt die Reise ins Ungewisse mit dem Betreten eines kleinen Motorbootes in Cardwell, daß uns zur Insel übersetzen soll. Das einzig wirklich kostenspielige an dem Trek ist der Transport zur Insel mit 73 AUD-$. Erfreulicher Weise entwickelt sichdie Überfahrt jedoch zu einem kleinen Tagesausflug, an dessen Ende die Trekker, vier an der Zahl, auf der Insel ausgesetzt werden. Somit kriegen wir sehr zu unserer Freude Stellen der Insel zu sehen, die nicht auf dem Trek liegen.
Das Wetter ist traumhaft: Sonne und strahlend blauer Himmel. Rings um die Insel liegt ein dichter Dunstschleier, so daß nur die Bergkuppen herausrausragen. Wir stoppen im Hinchinbrook Kanal zwischen dem Nordkap der Insel und Cardwell am Festland. Es bietet sich uns ein toller Blick auf die anderen umherliegenden Inseln: Family-, Brook-, Dunk-Island und zahlreiche mehr. Unser Ranger, der sich als Lurk vorstellt, schaltet den Motor des Bootes ab und wir lassen uns treiben, denn wir befinden uns im Revier von etwa 300 Gabeslschwanzseekühen (Dugongs), einem immer seltener werdenden Meeressäuger-Art. Man stelle sich einen fetten Delphin vor, der sich von Seegras ernährt, aber eher mit den Elefanten verwandt ist. Dugongs werden bis zu einer halben Tonne schwer und 3-4 m lang. Wir sehen auf Entfernung immer wieder einige dieser vom austerben bedohten Säuger zum Atmen an die Oberfläche kommen. Unglaublich faszinierende Lebewesen, nur leider kommen sie auch hier immer öfter auf unatürlichem Wege zu Tode. Ihr größter Feind sind Fischernetze, in denen sie sich verharken und ertrinken.
Der Dunstschleier über der Insel verzieht sich und wir haben einen tollen Blick auf Mt. Bowen, das Rückrad der Insel und den höchsten Berg in Queensland (1.112m). Ein Traum von einem Berg. Er weist äußerst bizarre Steinformationen auf und dadurch, daß er fast ständig in Wolken gehüllt ist, gibt es ihm etwas Mystisches. Das Faszinierende an dieser Insel ist, daß sie komplett mit fast undurchdringlichem Küstendschungel bewachsen ist.
Wir waten durch das knietiefe, kristallklare Wasser zum Orchid Beach, dem privaten Strand des Resorts, da die Steganlage im Vorjahr von einem Zyklon zerstört worden ist. Die Bugalows des Resorts sind so perfekt in die Natur eingepasst, daß man sie nur sehr schwer im dichten Grün des Dschungels ausmachen kann. Der Strand erinnert mich gewaltig an Magnetic Island: Die riesigen Steinblöcke am linken und rechten Rand, sowie der dichte Dschungel, der bis an den goldgelben Strand heranragt. Von hier aus beginnt ein etwa fünf Kilometer langer Wanderweg, der uns durch das dichte Grün zur anderen Seite des Kaps, zum North Sheppard Beach bringt.
Im Schatten der Bäume nerven die Mücken ein wenig, doch die angenehme Kühle und Schönheit des Dschungels, die uns umgibt sobald wir den Strand verlassen, lenkt uns sofort von den nervigen Plagegeistern ab. Für diese erste kurze Wanderung haben wir die Rucksäcke an Bord gelassen. Für ungefähr eine halbe Stunde wandern wir entlang eines einsamen und menschenleeren Strandes, bevor und der Weg wieder in den Dschungel führt. Wir folgen einem schmalen Pfad zur anderen Seite des Kaps, auf dem wir noch drei weitere, jedoch weniger spektakuläre Strände, passieren. Das Ziel unseres Marsches ist ein Strand namens Macushla. Auf dem Weg dorthin treffen wir immer wieder auf größere und kleinere Frösche im Laub, sowie zahlreiche kleine rotköpfige Gekkos, die flink durchs Unterholz rascheln. An einem der drei Strände, die wir passieren, setzen wir uns für eine Weile unter einem Baum und genießen die Ruhe. Ein riesiger Leguan, der mit Schwanz fast eine Länge von zwei Metern ausfweist, nähert sich uns interessiert: Wunderschön wie seine Haut in der Sonne glänzt. Nur leider entfernt er sich wieder recht schnell und lautstark durchs Unterholz, als ich zu meiner Waqsserflasche greife. Endlich in der Bucht auf der anderen Seite des Kaps angekommen, bietet sich uns ein toller Blick durch Palmen auf die Mangrovenwälder des Ramsey Beach und den mystischen Mt. Bowen. Wir entspannen uns für eine Weile im Schatten unter Palmen, bis wir gegen ein Uhr mittags wieder vom Boot abgeholt werden. Der Ranger war unterdeseen nicht untätig und hat während unsere Wanderung in den fischreichen Gewässern rund um die Insel zwei bildschöne Barramundis (Lates calcarifer) für sein Abendessen gefangen, die jetzt aber leider beide sehr leblos am Heck des Schiffes baumeln.
Von Ramsey Beach aus fahren wir durch die Missionary Bay in die Kanalwelt der Mangroven. Lurk, unser Ranger, fängt uns eine Mudcrab (Scylla serrata) und erklärt uns, was für ein rentables Geschäft diese Viecher bieten. Es düfen nur Männchen, und diese nur ab einer bestimmten Größe, gefangen werden. Der Preis liegt zur Zeit bei 15 AUD-$ pro Kilo. Die Mangroven bieten in ihrem Wurzelgeflecht hervorragendem Schutz für zahlreiche kleine Fische und sonstige Lebewesen. Eine Art geschützte Kindergarten für Jungfische. Zahlreiche Krebse und Muscheln finden sich zwischen den Wurzeln. Unserer Fahrt durch die Mangroven endet und für uns beginnt der Trek.
DER THORSBORNE TRAIL
Wir werden von Lurk auf der Insel ausgesetzt und die nächsten vier Tage unserem Glück überlassen. Ein kurzer Marsch, und wir gelangen an den endlos langen Ramsey Beach. Das kann was werden, mein Rucksack ist einfach nur super schwer, die Schultern schmerzen und die Sonne knallt gnadenlos und senkrecht auf uns hernieder. Wir stapfen tapfer den endlos langen Strand entlang. Die ersten Stunden der Wanderung geben uns eine Vorahnung davon, wie einsam es wirklich werden wird. Wir erhaschen einen ersten Blick auf den Nina Peak, daß Ende unserer erste Etappe.
Am Ende des Strandes angekommen, zieht sich der Weg in den dichten Dschungel zurück. Was für eine Erlösung, dankend nehmen wir die Abkühlung entgegen, aber mein T-shirt klebt sowiso schon am Körper. Der Weg schlängelt sich durch die äußerst dichte Vegitation. Oftmals ist es fast unmöglich, die Wegmakierungen zu finden. Das schlimmste ist der Rucksack, er entwickelt sich bei der Hitze immer mehr zur Qual. Ein leichter Aufstieg und wir erreichen den Sattel. Kurze Pause! Wir lassen die Rucksäcke erleichtert zurück und besteigen so befreit, den Nina Peak. Es gestaltet sich aber als ausgesprochen schwierig den richtigen Weg zu finden, da die Makierungen äußerst schlecht sind. Joanne und ich hinterlassen zusätzliche Makierungen in Form von aufeinander gestapelten Steinen am Wegesran zurück. Wir schaffen es zwar nicht ganz bis zum Gipfel, haben aber trotzdem einen unglaublichen Blick über die Insel. Richtung Süden schweift der Blick entgegen dem gleißenden Licht der Sonne über die grüne Kanalwelt der Mangroven. Richtung Westen erblicken wir das obere Ende des Ramsey Beaches. An dieser Stelle realisieren wir überhaupt wie unglaublich lang dieser Strand ist. Mt Bowen ist leider durch dichten Dunst verdeckt. Dieser Berg hat es mir wirklich angetan. Die Sonne im Rücken erblicken wir Nina Bay und den tief blauen Ozean.
Schwer begeistert steigen wir mit geschulterten Rucksäcken zur Bucht ab, die wir gegen fünf Uhr nachmittags endlich erreichen. Die erste Etappe ist geschafft. Geschützt unter Palmen schlagen wir unser Lager mit Blick auf Strand und Meer auf. Mein Armeekocher bietet beste Dienste. Die Mozzies nerven ein bisschen, aber dank Autan verweisen wir sie in ihre Grenzen. Joanne und ich sind beide total geschafft, um sechs Uhr abneds ist es dann nach einer äußerst kurzen Dämmerung auch schon stockdunkel. Wir verstauen unsere Rucksäcke in den Anti-Ratten-Kisten der Ranger. Es ist angenehm warm und wir haben einen traumhaftem Sternenhimmel. Unglaublich wie viele Sterne es hier zu sehen gibt: Milky Way, das Kreuz des Südens und sogar den Großen Wagen, der hier in der südlichen Hemissphäre aber auf dem Kopf steht. Fast schon peinlich, aber wir fallen um acht Uhr todmüde ins Bett, oder vielmehr kriechen in unsere Hundehütte, wie Joanne unser Zelt gerchtfertigter Wesie nennt.
Tag 2
NINA BAY – LITTLE RAMSEY BAY – BANKSIA BAY
(30. Mai 1997)
Übles Erwachen gegen acht Uhr dreißig am nächsten Morgen. Es ist ein traumhafter Morgen, nur leider spüre ich jeden Muskel und Knochen meines Körpers. Ich bin etwas früher wach als Joanne und laufe am unberührten Strand entlang. Die Gezeiten haben alle Spuren verwischt. Zurück bleiben nur meine Fußabdrücke im jungfräulichen Sand. Wir füllen unsere Wasserflaschen mit dem kristallklaren Wasser eines nahen Baches auf und machen uns um neun Uhr auf den Weg. Wir wandern entlang der Wasserkante zum südlichen Ende des Strandes. In der frühen Morgenstim-mung entfaltet Mt. Bowen uns erstmals unverhüllt seine ganze Schönheit.
Der Schweiß und der Rucksack melden sich innerhalb von Minuten zurück. Was man doch so alles auf sich nimmt. Man verflucht es zur Zeit und blickt stolz und schwärmerisch darauf zurück. Auf jeden Fall fängt der Spaß jetzt erst richtig an. Der Weg schlängelt sich entlang der Küste. Wir holpern über Felsen und Klippen den Weg entlang, welcher hin und wieder durch kleine Steinhaufen makiert ist, oder eben mal auch nicht! Es ist schon ein ziemlicher Konzentrationsakt nicht daneben zu treten und nicht auszurutschten. Die Boulder Bay macht ihrem Namen alle Ehre, ist aber aufgrund des Niedrigwassers relativ gut passierbar. Passierbar im Sinne eines Hüpfen von Stein zu Stein. Am Ende der Bucht hören dann auch die Markierungen entgültig auf . Wir schlagen zunächst natürlich den falschen Weg ein. Zahlreiche zum Teil recht abenteuerliche Kletteraktionen führen uns über die muschelbewachsenen Klippen immer entlang der Küstenlinie. Den Rucksack auf dem Rücken, über scharfkantige Muscheln, tief unten das rauschende Meer, ein falscher Tritt und… Das kann nicht richtig sein!
Letztendlich stellt sich uns eine unpassierbare Barriere, eine senkrecht ins Meer abfallende Felswand engegen und zwingt uns zur Umkehr. Also den ganzen Weg wieder zurück. Wir suchen für eine kleine Ewigkeit nach dem Zugang zum richtigen Weg, finden ihn auch schließlich. Sehr praktisch, nur markiert durch ein gelbes Band, daß in einem Baum weht.
Der Pfad schlängelt sich durch einen äußerst bizarren Wald. Hier hat es vor kürzerer Zeit ein Buschfeuer gegeben. Überall abgestorbene und schwarz verkohlte Bäume, die langsam von der grünen Vegitation überwuchert werden. Wir gelangen zur Little Ramsey Bay. Wieder ein endlos langer Strand ohne Schatten, nur bei weitem nicht so spektakulär wie Nina Bay. Bei Niedrigwasser passieren wir einen Fluß der ins Meer mündet und erreichen eine Frischwasserlagune. Endlich können wir den Schweiß abwaschen und frisches Trinkwasser auffüllen. Nach einem kurzen Mittagessen (Kalte Baked Beans aus der Dose) und wir fallen mal wieder todmüde in den Schatten. Ein kurzes Nickerchen und ich bringe diese Worte in meinem tagebuch zu Papier. Diese Abkühlung und Pause war dringend notwendig. Wir bleiben für drei Stunden im Schatten, bevor wir uns gegen vierzehn Uhr wieder auf den Weg machen. Gibt es etwas Übleres, als den Rucksack nach solch einer Pause wieder aufzuschnallen.
Am Strand unterhalte mich kurz mit Craig, einem einem Australier, der ebenfalls schwer geschafft, aber deutlich langsamer als wir, den Strand entlang trottet und unserer einziger menschlicher Kontakt auf der genzen Wanderung sein wird, über die “Überkommerzialisierung des Tourismus in Australien”. Wir sind uns einig, wir haben den “off beaten trek” gefunden. Craig stapft, unter der Last seines Rucksacks leidend und fluchend weiter.
Unser heutiges Etappenziel wird Banksia Bay sein. Die Flut kommt langsam rein und der Strand verengt sich mehr und mehr.Wir haben aber zum Glück keine Probleme den Fluß am Ende des Strandes zu passieren. Lediglich leicht nasse Füße tragen wir davon. Wieder wilde Felskletterei, dafür ist der Blick zurück umso begnadeter. Der endlos lange Strand, die roten Felsen, Mt. Bowen und der grüne Regenwald passen sich zu einem perfekten Bild zusammen. Die Kletterei entwickelt sich immer mehr zu einem Balanceakt entlang der Kliffkanten. Endlich der Abstieg zum nächsten Strand. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man am Strand über den glattgespülten Sand zurückschaut und nur seine eigenen Fußabdrücke sieht, die sich das Meer gerade wieder zurückholt.
Wir haben mal wieder zur Abwechslung leichte Probleme, den Trek zu finden. Irgendwie erreichen wir irgendwann den Sattel, von wo aus sich ein kleiner Seitenpfad zu der von uns ins Auge gefassten Banksia Bay hinabschlängelt. Insgesamt hat dieser Nachmittagstrek nur zwei Stunden gedauert, hat uns aber trotzdem total geschafft. Fünfzehn Uhr, geschützt unter Palmen schlagen wir unsers Zelt auf. Der atemberaubendem Blick auf die Bucht und den Strand entschädigt für einiges. Wir widmen uns wieder unseren Baked Beans und Vegimite Sandwiches. Ja, Ja…Ich weiss! Ich bin schon zu lange mit Engändern/Innen unterwegs. Die Mozzies entwickeln sich zur Megaplage. Ich baue eine Anti-Ratten-Leine für unsere Vorräte, da es hier keine Anti-Ratten-Box gibt. Banksia Bay ein toller Ort. Es ist total ruhig und entspannt. Was für eine friedliche Atmosphäre, wenn nur die Mozzies nicht wären. Was für eine Erlösung es ist, aus dem Backpacker-Party-Zirkus in Cairns raus zu sein. Es wird immer schwerer, zu den wirklichen schönen Flecken dieser Erde zu gelangen, die nicht von Touristen überlaufen werden. Joanne gibt mir noch eine sehr amüsante Nachhilfestunde in punkto interessante englische Schimpfworte. Ich bin aber kein gelehriger Schüler, da ich viel zu müde bin und falle relativ schnell in einen tiefen mit wirren Träumen behafteten Schlaf. Es waren einfach zu viele Eindrücke für einen Tag.
Tag 3
BANKSIA BAY – ZOE BAY
(31.Mai 1997)
Der Morgen ist immer das Schlimmste: Du wachst total geschafft, verschwitzt und versifft auf und spürst jeden Knochen und Muskel deines Körpers. Dazu kommt noch, daß du weißt, daß dir noch ungefähr zehn Kilometer trekking bevorstehen, und ein fünfzehn Kilo Rucksack auf dich wartet. Am liebsten willst du liegen bleiben, die Mozzie Stiche melden sich zurück. Du schaust aus dem Zelt, das Essen noch da? Keine Ratten? Sonnenschein und die Uhr sagt neun Uhr. Dreizehn Stunden Schlaf und immer noch tod müde. Unglaublich! Du öffnest das Mosquitonetz und wirst erst einmal liebevoll von einem Schwarm Mozzies begrüßt, die sich alle ins sowiso viel zu kleine Zelt drängen wollen. Du schließt das Netz erst mal wieder und fällst zurück auf den harten Boden und fragst dich: Was mache ich hier eigentlich? Ich laufe 32 Kilometer mit einem Rucksack über eine Insel und nenne das dann Natur “hautnah” erleben. Wenn man das auf die Mozzies bezieht, stimmt es sogar. Sie hängen alle erwartungsvoll außen am Netz und warten auf mich. Ich verstehe sie ja, man kann es ihnen ja nicht verübeln. Sie wollen halt nur liebevoll zu mir sein. Wollen mir ihre Zuneigung zeigen und in meiner Nähe sein. Die Mücke hat schon ein hartes Leben: Entweder, sie wird ständig zurückgewiesen oder sie bezahlt ihre Liebe mit dem Tod.
Der Morgen beginnt dann mit dem Sturm aus dem Zelt, wobei die Kunst darin besteht, so wenig Mozzies wie möglich herein zu lassen. Liebevoll umschwärmt von den Saugern raus aus dem T-shirt und rein in lange Hose und ins Hemd. Anschließend noch alles mit einem dichten Autannebel abrunden. Hey, ist gut gelaufen, nur drei neue Stiche zu den unzähligen Vorgängern. Ich bin bereit – der Tag kann kommen! Obwohl, Vegimite und Toastbrot zum Frühstück. Es kann noch schlimmer kommen. Die Ratten haben uns in Ruhe gelassen, nur Joanne´s Reiseführer etwas genauer bearbeitet. Ich hatte ihn leider vor dem Zelt liegen lassen. Typisch! Seine eigene Unwissenheit in Punkto lesen gleich mit grober Zerstörungswut versuchen wett zu amchen.
Ich hatte mich zudem auf Joanne`s Ausage verlassen, als sie von ihrem abendlichen Schwimm-und Waschgang zurück kam, daß sich in der Lagune Frischwasser befindet. Ich hatte das wenige Wasser was wir noch hatten darauf hin recht freizügig zur Reinigung unseres Baked Beans Topfes benutzt. Als ich an diesem schönen Morgen, dann die Lagune wunderschön in Mangroven eingerahmt vorfinde, schwahnt mir Fürchterliches. Regel Nummer eins weltweit: Mangroven wachsen nur im Salzwasser. Regel Nummer eins für Australien: Mangroven Lagunen sind das perfekte Krokodil Revier. Wow! Ein vier Stunden Trek vor uns und gerade einmal einen Liter Wasser für uns zwei. Was für ein Morgen – Halleluja! Zumindest hat nicht einer dieser Lederrücken das Vereinigte Königreich um eine hübsche Politikstudentin ärmer gemacht. Die kleinen Mätzchen meiner Kamera erwähne ich erst gar nicht, sonst könnte ich in ernste Suizidgefahr geraten..
Auf in die dritten Etappe zur Zoe Bay, welche uns übrings als Ratten-Mosquito-Sandfloh-Paradies angepriesen wurde.Was will man denn mehr ? Genau! Fünf Stunden hardcore trekking. Einige nich wenig hohe Hügel müssen passiert werden. Durchgehend dichte Dschungelvegitation und zwischenzeitlich müssen wir einige Sumpfgebiete passieren. Es ist schon ein ziemliches Kunststück, durch die Sümpfe und Flüsse zu gelangen, ohne nasse Füße zu bekommen, aber Training macht den Meister.
Später folgen wir einem ausgetrockneten Flußbett, in dichtem Dschungel von Fels zu Fels springend, dazu noch zahlreiche Balance-und Kletterakte vollbringend kommen wir voll auf unsere Kosten. Die Vegitation ist unglaublich üppig, vielfältig und abwechslungsreich. Der Trek hat es aber in sich. Mein Kompass hat schon seit einer Weile die kaum zu entziffernde Karte der Ranger ersetzt. Der Rucksack wird immer schwerer und die Mozzies nerven unglaublich. Es ist krass, wie schlecht der Weg markiert ist.
Ein absolutes Highlight des Treks ist ohne Frage das häufige Passieren der Flußbetten und die zahlreichen Überquerungen der Flüsse mit ihren entsprechenden Schwierigkeiten. Aber nochmal zurück zum „Sumpf“. Zu Beginn dieser Region der Insel wies ein nicht zu übersenendes Schild darauf hin, daß die Region von Salzwasserkrokodilen bewohnt sei. Sehr beruhigend. Wie war das noch mal? Nur Süßwasserkrokodile sind für den Menschen ungefärlich.
Wir machen einen kurzen Lunchstopp auf einer der letzten trockenen Stellen des Waldbodens, bevor es dann richtig zur Sache geht. Immer wieder retten uns nur äußerst gewagte und gekonnte Hangel- und Sprungmanöver vor nassen Füßen beziehungsweise davor knietief im Morast zu versinken. Aufgelockert wird das ganze durch Joanne, die sich hin und wieder aus der Ferne meldet: „Help“ oder „I am lost“, und ich sie dann als vorbildicher Gentleman nach guter Tarzan und Jane Manier aus ihrer misslichen Lage errette. Der Trek ist wie aus den besten Abenteuerfilmen: Unwegsames Gelände, undurchdringliche Vegitation und äußerst schwer passierbar. Eine echte Herausforderung. Man schlüpft in die Haut von Indiana Jones oder eines der frühen Entdecker.
Irgendwann haben wir den Sumpf dann endlich hinter uns gelassen und fallen erst einmal total erschöpft, zerstochen und schlammverschmiert zu Boden. Die Blutsauger haben Joanne übel zu gesetzt. Ihre Beine als Streuselkuchen zu bezeichnen ist noch leicht untertrieben, aber wie sie so schön trocken bemerkt: Verschleiß ist immer dabei. Wie war das noch: Nur die Harten kommen in den Garten. Sind wir nicht schon mitten drin?
Waschen und T-shirt wechseln ist sowiso überflüssig. Das lohnt höchstens zur Abkühlung, aber nach fünf Minuten fließt der Schweiß sowieso schon wieder in Strömen. Schweiß und Mozziespray bilden ein nettes Gemisch. Langsam gewöhne ich mich an den permanenten Schmierfilm. Eine weitere, äußerst schmerzhafte Angelegenheit sind eine weit verbreitete Art von Lianen, die mit Widerhakenähnlichen Dornen besetzt sind. Sie hinterlassen unzählige Risse in Haut und Kleidung. Eine sehr schmerzhafte Angelegenheit. Meine Kamera hat nun endlich den Geist aufgegeben, so ein Mist, also keine Fotos mehr.
Wir kommen zwischenzeitlich raus aus dem Dschungel. Was für eine Erlösung. Die Landschaft ist geprägt von Mangroven, riesigen Felsen und Paper Bark Trees (Melaleuca quinquenervia). Diese Bäume haben ein sehr bizarres Äußeres. Ihre Rinde pellt sich lagenweise ab, sie wurde in früheren Zeiten als hochwertiges Schreibpapier genutzt. Zu meiner ganz speziellen Freude geht es aber echt bald wieder in den Dschungel. Langsam kriege ich echt zu viel. Ich kann kein Grün mehr sehen. Wir haben es aber fast geschafft. Wir können in der Ferne schon das Meeresrauschen hören.
Geschafft! Wir treten aus dem Grün in das gleißende Licht der Sonne, der Strand hat uns wieder. Erleichtert lassen wir uns in den weißen Sand fallen und genießen die Wärme des Sandes, das Licht der Sonne und das Meeresrauschen. Wieder einer dieser endlos langen Strände, die fließend an den Regenwald anschließen. Wir haben Zoe Bay erreicht.
Wir laufen für ungefähr einen Kilometer den Strand entlang, bis wir den Zoe Creek erreichen. Der Fluß kommt aus dem Inselinneren und mündet hier von Mangroven umrahmt ins Meer. Dahinter beginnt auch schon wieder die uns so vertraute Hügel-Berg-Landschaft. Zum Campen tauchen wir vom Strand zurück in den Wald ein. Eine angenehme Kühle und Ruhe empfängt uns. Einer unserer Vorgänger hat auf einem klapprigen Holztisch ein paar Kokosnüsse und einige wunderschöne Muscheln zurückgelassen.
Es war ein toller, anstrengender und schöner Tag. Einer von diesen Tagen, wo man weiß, daß mal wieder einer dieser bestimmten Träume in Erfüllung gegangen ist. Ein einsamer Dschungeltrek, auf einer weitgehend unerforschten Insel, Sümpfe und Flüsse, die es zu überwinden galt. Wir wanderten durch unwegsame Flußbetten, alles in einem Krokodilrevier und schlußendlich fällt man raus aus dem Dschungel, einen Schwarm Mozzies im Genick in den warmen sand einer traumhaften Bucht. Es gibt sie, diese Robinson Crusoe Buchten. Ein einsames Segelboot dümpelt in der Bucht, dazu ein endlose Sandstrand und grüner Regenwald wohin das Auge reicht. Alles umrahmt von grün bewachsenen Bergen unter denen endlich auch wieder Mt. Bowen zu sehen ist. Einfach paradiesisch!!!
Ich schlage das Lager auf und wandere am Strand entlang, während Joanne eine Nicherchen macht. Wir knacken und essen eine Kokosnuß, da unsere Lebensmittel langsam zur Neige gehen und Joanne eisern an unserem einzigen und letzten Paket Nudel festhält.
Ich komme ins sinieren. Jeder der dieses liest beziehungsweise die Fotos von der Insel sieht, sieht nur die eine Seite. Er erkennt nur das paradiesische und sieht nicht die fünf Millarden Mozzies die hier herumfliegen und die Sandflöhe, die den Strand besiedeln. Sobald man sich zur Ruhe setzen will, um die Schönheit der Orte zu genießen, fallen sie auch schon erbarmungslos über einen her. Dazu kommen noch die Strapazen, die man auf sich nehmen muß, um an einen solch einsamen und paradiesischen Ort zu gelangen. Wäre er leicht erreichbar und nicht so Mozzie verseucht, so wären sofort weitere tausend Leute hier, die eine extreme touristische Infrastruktur zur Folge hätten. So sind schon viele Paradiese dieser Welt zerstört worden. Man kann nur hoffen, daß die Insel auch in Zukunft ein Geheimtip bleibt und vom Massentourismus verschont bleibt. Dafür sieht es bis jetzt ganz gut aus, die Nationalparkregeln und die Quote an täglichen Wanderern ist sehr streng. Es ist vielleicht ein bisschen früh schon jetzt solche Worte anklingen zu lassen, uns stehen immerhin noch zwei weitere Tage bevor, aber es gibt schon unglaublich abgefahrene Orte auf dieser Welt. Bei Einbruch der Dunkelheit meldet sich wieder der traumhafte Sternenhimmel zurück. Die ersten fünfzehn Kilometer sind geschafft, der halber Weg.
Tag 4
ZOE BAY – MULLIGAN FALLS
(01. Juni 1997)
Heute stehen 6.5 km auf dem Programm. Wir wollen es bis zum Diamantina Creek und danach noch weiter bis zu den Mulligan Falls schaffen. Während der Nacht ist ein heftiger Sturm über die Insel hinweggezogen. Zum Glückhat unsere Hundehütte ihm aber stand gehalten. Mitten in der Nacht wurden wir von einem laut quakenden Frosch belästigt, obwohl ich mir nicht ganz sicher war. Es hätte auch der Lockruf eines weiblichen Krokodils sein können. Nah genug an den Mangroven sind wir ja. Mit dieser These versetzte ich Joanne aber so in Todesangst, dass ich mitten in der Nacht raus aus dem Zelt musste und unseren kleinen Freund, der gottseidank wirklich nur ein Frosch war, um die Akzeptnz der Nachtruhe bitten musste.
Morgens hatte der Sturm sich zum Glück gelegt. Wir laufen flußaufwärts zu den Zoe Falls. Joanne ist von ihnen hin und weg. Aber warum muß das Wasser nur so kalt sein? Somit wird nichts aus einem erfrischenden Bad. Dann müssen wir eben noch eine Weile versifft bleiben. Über die Felsen im Flußbett klettern wir hundert Meter flußabwärts, von wo dann der anstrengende Aufstieg zur Oberkante der Fälle beginnt. Wir werden aber für unsere Strapazen mit einem traumhaften Blick über die Bucht entschädigt. Laut der Ranger sind vier Stunden für die Etappe angesetzt, doch wir ziehen es wesentlich schneller durch. Wir kommen richtig in Fahrt, stoppen aber hin und wieder an kleinen Flüssen und gehen die Sache dann doch recht ruhig an, da es heute ausgesprochen hügelig ist. Viele Stellen des Pfades zeugen noch von den Zyklonschäden. Reihenweise umgekippte Bäume und zum Teil sind ganze Ebenen kahlgefegt.
Der Rucksack wird mit jedem Tag leichter, doch ob es an der Gewohnheit oder an den langsam schwindenden Nahrungsmitteln liegt sei dahin gestellt. Die Mozzies lieben uns wie eh und je. Ist doch schön ein paar so treue Weggefährten zu haben. Oftmals wird uns der Blick auf die Strände und Buchten durch Bäume versperrt, obwohl wir uns auf einem Hochplateau befinden. Die Ausblicke und das Landschaftsbild kommt bei weitem nicht mehr mit den ersten beiden Tagen mit. Die waren aber auch zu schön um wahr zu sein.
Wir treffen immer mal wieder auf unseren Aussie-Freund Craig. Man hört ihn schon aus beachtlicher Ferne wild über das Gewicht seines Rucksacks fluchen. Er startet morgens immer ein bis zwei Stunden vor uns und wir sind immer ein bis zwei Stunden vor ihm am Etappenziel. Recht amüsant. Wie er das macht ist uns absolut schleierhaft. Dazu kommt noch, daß er seine ganzen Vorräte aufgebraucht hat. Wir haben Mitleid und teilen brüderlich mit ihm. Er flucht immer noch über den „Scheiß-kommerziellen-Backpacker-Zirkus in Australien“. Wie recht er hat. Jeden Abend die gleiche Leier in Cairns und eigentlich in allen Backpacker-Hostels an der Ostküste: Billiges Essen, billige Drinks und anschließend lustiges auf den Tischen tanzen und zum Abschluss des Abends Sex im Zehn-Bett-Dorm. Er scheint schwer unter dem „Anti-Backpacker-Syndrom“ zu leiden.
Wir werfen einen kurzen Blick von oben auf die SSunken Reef Bay, entscheiden uns aber gegen den zwei Kilometer Umweg, nur für einen weiteren Strand. Von hier aus können wir schon die Mündung des Dalmatina Creek sehen. Wieder einer dieser schier endlos langen Strände und wir können zum ersten Mal das Festland sehen. Ein kilometer langer Transport Jetty zieht sich durch das flache küstennahe Wasser, bis in die tieferen Gefilde. Uns eröffnen sich gute Ausblicke auf die, dem südlichen Ende der Insel , vorgelagerten Inseln. Der Abstieg beginnt. Wir rasten dank der Trockenzeit inmitten des Creeks im Schatten eines Baumes auf einem riesigen Felsen. Der Vorteil der Trockenzeit liegt darin, daß die Flüsse alle recht gut passierbar sind. Was für ein Glück wir doch haben! Ein strahlend blauer Himmel und Sonnenschein bleiben uns während des ganzen Treks erhalten.
Der Dschungel wartet wieder auf uns. Oh wie ich diese scheiß Mozzies hasse. Das heutige Camp liegt mitten im Wald. Es ist angenehm kühl, aber auch sehr dunkel, da der Dschungel ausgesprochen dicht ist. Es ist schon sehr abgefahren, mitten im Dschungel zu campen. Dazu kommt noch, daß es auf der Insel kein giftiges Viehzeug gibt, und somit das barfußlaufen kein Problem dastellt. Ich unterhalte mich mit unserem Aussie Freund, der inzwischen unseren Fußstapfen zu folgen scheint über Süd Amerika, Byron Bay und Nimbin. Es ist so ruhig und friedlich hier, obwohl noch zwei weitere Trekker aus entgegengestzter Richtung auftauchen, bleiben wir unter uns. Ich laufe zum nahe gelegenen Wasserfall. Setze mich auf einen riesigen Felsblock mitten im Fluß und genieße die friedliche Atmosphäre, inmitten einer tropisch grünen Oase. Morgen geht es wieder zurück in die Zivilisation – Schwermut ??
Was mich wirklich wundert ist, daß wir auf so wenig Tiere getroffen sind. Unsere wildlife encounter beschränken sich auf ein paar Vögel und einen Truthahn, der hier auf dem Campingplatz rumgräbt.Wobei, Campingplatz ist ein wenig hoch gegriffen, denn außer einem Plumpsklo und einer Anti-Ratten-Kiste gibt es hier nicht viel. Ach ja, ein paar Frösche. Die sieht man nie und sind damit auch auch nicht so der Burner.
Was es auf der Insel aber haufenweise gibt, sind Ratten. Mit Einbruch der Dunkelheit tauchen sie dann auf, die sagenumwogenen Hinchinbrook Ratten. Und zwar gleich sehr zahlreich und lautstark. Sie sind viel kleiner, als ich sie mir vorgestellt habe. Wir hören ihre Knabbergeräusche jede Nacht rund ums Zelt. Sie lassen uns aber in Ruhe.
Puh! Was war das für eine üble Nacht. Ich glaube ich habe mich noch nie so dreckig, schmierig, verschwitzt und versifft gefühlt. Zum allgemeinen Wohlbefinden darf man auch nicht die ganzen Mückenstiche vergessen, die nach drei tagen anfangen ihr Bestes zu geben. Vom Anstrengungsgrad war dieser Tag ganz OK, auch wenn ich ihn nicht unbedingt als spektakulär bezeichnen würde. Das Lager gefällt mir ausgesprochen gut. Ich liebe es den Waldboden unter den nackten Füßen zu spüren. Besonders Nachts, wenn man nicht weiß wohin man tritt.
Tag 5
MULLIGAN FALLS – GEORGE POINT – CARDWELL
(02. Juni 1997)
Der letzte Tag auf der Insel bricht an. Schade! Ich habe mich langsam an das wandern gewöhnt. Ich könnte bei dem tollen Wetter gut noch ein paar Tage bleiben. Mit dem ersten Morgenlicht halte ich es aber nicht mehr aus. Wasser muß an den Körper und nach vier Tagen endlich auch ein paar neue Klamotten auf die Haut. Warum muß das Wasser nur so mega kalt sein? Aber wie ja schon zuvor erwähnt: Nur die Harten kommen in den Garten. Also rein in die Fluten. Wie faszinierend ist doch Wasser! Wie kann doch dieses kühle Naß das Selbstwertgefühl und die Wonne des Menschseins innerhalb von Minutern nur so um ein Hundertfaches steigern !!! An was für kleinen Dingen man sich doch erfreuen kann.
Wir gehen den Morgen ruhig an. Wir werden erst um sechzehn Uhr nachmittags von Lurk dem Ranger abgeholt, und es sind nur noch siebeneinhalb Kilometer Weg durch flachen Dschungel und am Strand entlang. Irgendwie überkommt mich ein leicht wehmütiges Gefühl den letzten Tag anzutreten und der Insel Ade und der Zivilisation Hallo zu sagen. Obwohl, gegen eine Dusche und ein Bett sowie etwas richtiges zu Essen hätte ich nichts einzuwenden. Iregdwann am süäten Vormittag machen wir uns dann auf den Weg. Die ersten zweieinhalb Kilometer durch den Dschungel inclusive fünf Flußüberquerungen, vergehen wie im Flug, und plötzlich wir treten hinaus auf jenen gigantischen Sandstrand, der uns zum Südende der Insel bringen wird. Der Strand hat insgesamt eine Länge von sieben Kilometern, zwei hinter uns und noch weitere fünf vor uns. Es ist einfach nur unglaublich! Joanne und ich haben diesen endlosen, unberührten und weißen Strand ganz für uns alleine. Die Ebbe hat ihn glatt gewaschen und alles, was bleibt sind unsere Fußabdrücke im Sand. Die Vegitation am südlichen Ende der Insel ist nicht mehr so tropisch wie im Norden. Auf der ganzen Längsseite des Strandes können wir nur eine einzige Palme ausmachen. Abgefahren, wie die wohl dorthin gekommen ist. Wir peilen sie als Ziel für einen Stop an, müssen aber erst noch einen Fluß überqueren, was aber aufgrund des Niedrigwassers kein Problem ist. Wir setzen uns unter oder besser gesagt neben der Palme zur Ruhe, denn das ist auch eine altbewährte Regel: Niemals unter einer Palme sitzen, stehen oder liegen. Eine herabfallende Kokosnuß kann verherrende Folgen haben. Es sind schon Leute dabei umgekommen.
Joanne und ich können in weiter Ferne unseren Australier Craig ausmachen, der sich weiterhin mit seinem Rucksack abmüht. Dieser kleine Strich in der Ferne zeigt uns wie riesig dieser Strand ist. Wenn wir heute George Point erreicht haben wir uns 38 Kilometer der Insel zu Fuß erwandert: Sechs Kilometer am Kap und 32 durch den Trek. Ich muß anstandslos eingestehen, daß der Trek seinem Ruf als einer der schönsten Wanderwege der Welt zu gelten gerecht wird.
Da wir inzwischen alle Lebensmittel aufgebraucht haben widme ich mich einer Kokosnuß. Eigentlich habe ich mich inzwischen zum Profi in punkto knacken von Kokosnüssen entwickelt. Es stellt sich nur heute leider ein Problem: Kein Stein weit und breit, nur ein morsches Stück Treibholz schafft Abhilfe. Hey, wie kitschig, fast wie aus der Bounty Werbung, das Kokoswasser direkt aus der Nuß, am weißen Tropenstrand trinken. Es ist übrigens ein weit verbreiteter Fehlglauge. Die Flüssigkeit in der Nuß ist das Kokoswasser. Die Milch gewinnt man erst, wenn man das Fruchtfleisch raspelt und presst. Craig, unser Aussi Freund, kommt uns zu Hilfe. Wir zerbrechen ein paar Äste an der harten Schafle der Nuß. Zuletzt geben wir auf und spielen nur noch Baseball mit der Nuss. Doch sieh da, die Nuß zerbricht, doch noch Erfolg gehabt. Wir entspannen, schlafen und essen im Schatten.
Die zweite Kokosnuß, die ich versuche zu knacken, hat schwere Folgen. Ich rutsche mit dem Messer ab und ramme es mir etwa einen Zentimeter tief in die Hand. Was bleibt ist viel Blut und eine klaffende Wunde. Ich reagiere schnell, desinfiziere die Wunde und lege einen Druckverband an. Glück gehabt. Es war nur die linke Hand und ich habe keinen Nerv oder Muskel getroffen.
Gegen fünfzehn Uhr laufen wir den Rest des Strandes bis zum George Point entlang. Die Vegitation nimmt kontinuierlich ab. Das Südende von Hinchenbrook Island ist nicht unbedingt das Vorzeigebild der Insel. Es ist unglaublich, wie weit die Ebbe das Wasser rauszieht. Der ganze letzte Teil der Insel ist nur bei Niedrigwasser passierbar, da die Flut bis an die Uferböschung steigt. Wir werden pünktlich um sechzehn Uhr abgeholt.
Zurück am Festland erfahre ich, daß der nächste Doktor, der die Wunde nähen könnte, sich in Ingham befindet, was ungefähr sechzig Kilometer südlich von Cardwell liegt. Für Australien keine Entfernung, für mich aber zu sehr ab vom Schuß. Wir stoppen in einer Ambulanz, wo die Wunde von einer bildhübschen Krankenschwester geklammert wird. Nähen ist nicht nötig, Glück gehabt.
Damit hat uns die Zivilisation zurück. Es ist schon ein komisches Gefühl. Wir haben unglaubliches Glück mit dem Wetter gehabt. Auf der Rückfahrt nach Cardwell lasse ich noch mal den ganzen Trek an meinem geistigen Auge vorbeiziehen. Es waren unglaubliche fünf Tage. Nur gut, daß mein Unfall erst so kurz vor Ende des Trips passiert ist. Abends setze ich mich sonnengebräunt und frisch gewaschen auf die Veranda des Hostels, trinke ein Victoria Bier und betrachte die Sonne, wie sie hinter Mt. Bowen im Meer versinkt. Der australische Backpacker-Zirkus hat mich zurück!